Es ist hier ein besonderer Moment, wenn der erste Herbstregen ans Fenster klopft, sich dort mit den Staubresten des letzten Kalimas vermischt und in dicken Tropfen am Fenster herunter rinnt. Denn damit fängt meine liebste Jahreszeit auf der Insel an: der Winter.
Während in Deutschland die Blätter von den Bäumen fallen, treibt hier an Gräsern, Büschen und Bäumen frisches Grün aus. Die Landschaft, die über den Sommer so braun und trist erscheint, erwacht zum Leben und bedeckt die steilen Hänge mit einem sanften Grün. Der Winter auf Gran Canaria ist wundervoll.
Die Abende bleiben mild und die Palmen grün und werden schon im November mit bunten Lichterketten geschmückt…
Beim Betrachten der funkelnden Lichter fällt mir auf, wie schnell die letzten Monate vorbeigegangen sind. Wie viele Erlebnisse sich in ihnen gesammelt haben und wie wenig ich davon erzählt habe.
Deswegen nehme ich mir jetzt die Zeit, scrolle durch die Fotos auf meinem Handy und gebe euch einen Einblick in ein paar Highlights und Erlebnisse aus unserem Leben der letzten Monate:
Shabat feiern
Das Ende des ersten Cambio Monats feiern wir traditionell mit einem Shabat-Dinner. Dabei folgen wir nicht ganz genau der jüdischen Tradition, aber haben einige Elemente von ihr abgewandelt: Wir werfen uns in den feinsten Twist und die schickste Robe, die unser Kleiderschrank hergibt. Wir zaubern ein leckeres Menü für unsere Teilnehmer und genießen das gute Essen und die Gemeinschaft bei einem unbeschwerten Abend. Dabei merke ich jedes Jahr aufs Neue, dass diese fremden Menschen von Tag zu Tag mehr zu meiner Übergangs-Familie werden. Mit jedem Gespräch, mit jedem Lachen, jedem Erlebnis und jedem Spieleabend wachsen wir als Gruppe näher zusammen und merken, wie Gott diese zehn jungen Menschen zu einem einzigartigen Team formt.
Theos Welt entdecken
Dass man als Eltern so viel zu Spaß haben kann, hatte ich nicht erwartet. Theo bringt uns beide zum Lachen wie sonst nur wenige Menschen. Inzwischen beherrscht er eine einwandfreie Rolle seitwärts und dreht sich auch im Uhrzeigersinn um die eigene Achse. Somit kam es in den letzten Wochen schon zu manch einem Unfall im Haus, weil er unter dem Sessel feststeckte oder seinen Spielebogen zum Einsturz brachte. Siehe Foto. Seine blendende Laune mindern solche Zwischenfälle jedoch nicht. Klar ist, dass wir am Tag weniger geschafft bekommen, als vor Theos Geburt. Wir müssen lernen, unser Arbeitspensum an das neue Familienlieben anzupassen. Wir genießen aber schon jetzt das entschleunigte Leben, dass sich ein bisschen mehr um Theo und ein bisschen weniger um die Arbeit und die eigenen Bedürfnisse dreht. Ist einfach klasse der Kerl.
Ausflüge mit Heinrich unserem Bus(le)
Im vergangenen Jahr mussten wir immer auf die Cambio-Autos zurückgreifen, um mal rauszukommen. Dafür waren viele Absprachen nötig. Jetzt steht auf der Straße ein kleiner grauer Kastenwagen, der den Anschein macht, als hätte man ihn zu heiß gewaschen und er wäre dadurch etwas eingegangen. Doch so klein er auch ist, umso größer die Freiheit, die wir durch ihn erleben, denn im Kofferraum befindet sich eine selbstkonstruierte Holzkiste, die mit wenigen Handgriffen zu einem Bett ausgeklappt werden kann. So können wir mal für eine Nacht aus der Stadt fliehen und uns in die wunderschönen Natur der Insel flüchten. Ein Abend mit Blick auf den Sonnenuntergang über Teneriffa, oder eine Nacht unter funkelnden Sternen am Fuße des Roque Nublos ist für uns eine Art, um Gott zu begegnen und über seine einzigartige Schöpfung ins Staunen zu kommen. Auch wenn die Nächte auf der Ismoatte weniger gemütlich sind als im Bett, laden wir unsere Batterien durch solche Mikro-Urlaube wieder auf und starten voller Elan in den Alltag.
Zeit mit Freunden
Jedes Gespräch auf spanisch kostet uns nach wie vor viel Kraft. Zwar schaffen wir es mit unserem derzeitigen Spanisch-Vokabular unsere Gedanken zu äußern, aber tiefgründige Gespräche oder detaillierte Beschreibungen sind leider noch nicht möglich. Dadurch fällt es uns schwer, Freundschaften zu Canarios zu knüpfen. Umso wertvoller sind die Tage, an denen uns ein befreundetes Ehepaar (sie aus Teneriffa, er aus Polen) zu sich einlädt, wir gemeinsam Essen, die Zeit genießen, über unsere Vergangenheiten ins Erzählen kommen und mit viel Phantasie, sowie Übersetzungsapp ein tolles Gespräch zu Stande kommt. Nach solchen Nachmittagen sitzen wir ganz erfüllt und glücklich im Auto, denn wir haben das Gefühl, so langsam anzukommen auf dieser Insel.
Auch mit unseren Kollegen finden wir wieder mehr Zeit, um nicht nur bei der Arbeit Zeit zu verbringen, sondern mal Abends zusammenzusitzen, zu essen, zu spielen und einfach unsere Freundschaft zu genießen.
Das tut gut! Gerade in diesen komischen Monaten, in denen die Pandemie und der ausfallende Besuch aus der Heimat uns oft das Gefühl gibt, ganz ab vom Schuss zu leben.
Soviel von uns.
Herzlichst,
Stefanie Bernath
Lene, ich habe gerade mal wieder in deinen Blog geschaut und lieb es darin zu lesen! Die Art wie du schreibst, die Themen, deine Gedanken und vorallem die tiefgründige und bunte Perspektive, wie du das Leben betrachtest und zu Wort bringst, begeistern und inspirieren mich.
Ist ein mega Segen dich bei Cambio zu haben!
Freue mich auf weitere Berichte von meinem Blog-Vorbild 😛
Steffi