Beruf(ung)

Achtung, dieser Eintrag ist ein bisschen philosophischer als gewöhnlich und ich gebe euch einen Einblick in ein noch nicht ganz gelöstes Gedankenwirrwarr, das sich um Beruf, Berufung und Zukunftspläne dreht. Vielleicht wäre an diesem Punkt eine Tasse frischgebrühter Kaffee angebracht oder doch eher ein gutes Glas Rotwein? Wie auch immer, ich hoffe ihr könnt durch die kommenden Absätze durchblicken… Ich habe ihnen extra intellektuelle Titel verpasst – hihi. 

Von Möglichkeiten und Lebenswegen. 

Unser Leben besteht aus einer Aneinanderreihung verschiedener Möglichkeiten, die sich uns bieten und Entscheidungen, die wir treffen. Studiengänge, potentielle Ehemänner, Jobangebote im In- und Ausland… manche davon nehmen wir wahr und treffen sie bewusst, einige sicher auch unbewusst. Meine Überzeugung ist, dass die Aneinanderreihung dieser Möglichkeiten in unserem Leben nicht nach dem Zufallsprinzip entsteht, sondern dass sich darin eine Idee oder Berufung entfaltet, die Gott für unser Leben hat. 

Vergleichbar wäre das mit einer Schnitzeljagd, bei der man am Anfang noch nicht genau weiß, wohin der Weg führt. Dennoch halten wir stets nach dem nächsten Hinweis Ausschau. Ein Pfeil auf dem Boden oder ein Faden am Baum sind Hinweise die uns verraten, in welche Richtung wir unseren Weg einschlagen sollen. Und oft erkennen wir erst im Rückblick den Sinn der verschiedenen Abbiegungen. Vielleicht gibt es ein paar Sackgassen oder auch Umwege auf der Route, aber irgendwann kommt jeder an verschiedenen Stellen vorbei, wo wir dann genau am richtigen Platz sind.

Soweit das Grundmodell. In der Anwendung bedeutet es, dass ich statt einen strikten fünf-Jahres-Plan zu entwickeln, wie es sicherlich meine Kollegen aus dem MBA Studium machen würden, eher nach dem Ansatz lebe: „Where you lead, I will follow“ (auf Deutsch: Wohin du mich führst, dahin will ich folgen.). Das ist eine Liedzeile aus dem Titelsong meiner Lieblingsserie ‚Gilmore Girls‘, die ich kurzerhand geklaut und zu meinem eigenen Motto uminterpretiert habe. Wenn ich meine Entscheidungen so treffe, dass ich darin Gottes Idee für mein Leben folge, dann gehe ich davon aus, dass ich die Plätze finde, an denen ich einen positiven Einfluss auf diese Welt habe.

Meine Berufung finde ich also irgendwie dadurch, dass ich meinen Körper, meine Energie und Intelligenz für das einsetze, was wirklich gut ist und so die Herausforderungen und Nöte im näheren Umfeld bekämpfe… 

Das klingt jetzt schrecklich spirituell und abgehoben, aber für mich ergibt sich dadurch ein spannendes Abenteuer, das mich zu meinem wundervollen Leben hier auf der Insel gebracht hat. 

Status Quo.

Im Moment bin ich glücklich über unseren Platz auf der Insel. Ich liebe meinen Job, die echte Gemeinschaft und Freiheit, die ich darin als junge Mutter erlebe. Dennoch hatte ich in meinem Kopf ein spezifisches Ablaufdatum für unser Leben hier auf Gran Canaria. Einen Zeitpunkt, an dem ich gerne wieder zurück nach Deutschland ziehen würde zu meinen Freunden, meiner Familie und dem Geruch von frischen Brezeln…

Tatsächlich hielt mich dieser Zukunftsgedanke für einige Wochen davon ab, mich voll und ganz in mein aktuelles Leben zu investieren: Der Stapel Spanischvokabeln auf meinem Schreibtisch war von einer dünnen Staubschicht überzogen, ich telefonierte mehr mit Freunden in der Heimat, als mich in meine noch jungen Freundschaften hier vor Ort zu investieren und tatsächlich träumte ich auch Nachts viel öfter von meiner Familie und meinem Leben in Deutschland… 

 

An einem sonnigen Sonntagmorgen ging ich dann an der Strandpromenade laufen und machte mir, auf Tobis Empfehlung hin, einen Podcast von Maria Prean auf die Ohren. Darin berichtet sie mit ihrem liebenswürdigen österreichischen Akzent über einige Erlebnisse aus ihrem Werdegang. Ihre Geschichte nimmt dort Fahrt auf, wo viele andere auf dem Sofa enden, denn im stolzen Alter von 70 Jahren fängt die weißhaarige Dame mit dem Aufbau des Projekts ‚Vision for Africa‘ an, eine inzwischen gigantische Hilfsorganisation in Uganda. 

Trotz ihrer beeindruckenden Tätigkeit in Uganda, erzählt sie, kam sie in ihrer Zeit in Afrika mehrmals an den Punkt, dass sie in ihr altes Leben zurückkehren wollte. Mit den Menschen, der Kultur und dem Leben in Afrika kamen zu viele Herausforderungen, denen sie sich nicht gewachsen fühlte. So stand sie mit gepackten Koffern in ihrer Eingangstüre, bereit abzureisen und ihrer Arbeit in Afrika den Rücken zuzukehren. Doch jedes Mal kamen ihr zwei Fragen in den Kopf: ’Maria, wer hat dich an diesen Ort berufen?!’ Ihre Antwort lautete ohne langes Überlegen: ‚Gott’. Konsequenterweise lautete die darauffolgende Frage: ‘Und was denkst, du, wer dich wieder nach Hause rufen wird?’ – ‚Gott‘. 

Ich hatte beim Hören dieser Anekdote einen wahrhaftigen AHA-Moment. Ich konnte mich genau mit der Geschichte identifizieren, denn in mir bestand ebendieser dieser Konflikt. Auf der einen Seite bin ich davon überzeugt, dass meine Stelle bei Cambio genau das ist, was ich mir immer gewünscht habe –  ein Beruf, bei dem ich nicht um 15 Uhr den Computer herunterfahre und das Büro verlasse, sondern einen Beruf, bei dem ich meine Berufung ausleben kann: mein Leben mit jungen Menschen zu teilen und meinen Glauben an Gott ganzheitlich zu leben. Gleichzeitig überkommt mich an manchen Tagen das Gefühl, dass die Menschen, die Kultur und das Leben hier zu viele Herausforderung mit sich bringen, denen ich mich nicht gewachsen fühle und ich mich in die Idee flüchte, irgendwann dann meine Koffer packen zu dürfen. 

 

Inspiriert von den ermutigenden Worten von Maria Prean, habe ich an diesem Vormittag innerlich diesen Koffer ausgepackt und mich noch einmal neu auf unser spanisches Leben eingelassen. Seitdem läuft es wieder mit meiner Motivation beim Spanischlernen und ich genieße die Zeit mit meinen Freunden hier auf der Insel mehr als die digitalen Treffen mit Freunden aus der Heimat. Denn mit meinem Job hier bei Cambio habe ich derzeit den Platz gefunden, bei dem ich wohl einen großen Einfluss auf Menschen in meinem Umfeld habe, indem ich mein Leben mit ihnen teile und mich ganz auf das Hier und Jetzt einlasse. 

 

Summasumarum.

Hoppladihop, jetzt ging es vielleicht doch schneller als gedacht und der Kaffe oder das Glas Wein sind noch nicht mal halb leer / voll. 

Dennoch komme ich hier zum Ende dieses Eintrags (denn zumindest meine Aufmerksamkeitsspanne als Leser würde sich an dieser Stelle gen Null begeben). Ich glaube als abschließendes Resümee meiner Gedanken lässt sich festhalten, dass ich meine Berufung darin sehe, einen ‚missional lifestyle‘ (auf Deutsch: missionarischen Lebensstil) zu führen. Für mich bedeutet das, mein Leben so zu führen, dass ich andere  Menschen neugierig auf das mache, woran ich glaube. Und gerade erfülle ich genau das in meiner Arbeit bei Cambio.

Liebe Grüße,

 

LeneUnterschrift

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