Zwischen Abschiedstränen und Wiedersehensfreude

Statt wie gewohnt am Nachmittag des 28. Februars erschöpft meine Füße auf dem Sofa hochzulegen, stehe ich nun auf der kleinen hölzernen Cambio Bühne. Neben mir fünf meiner sechs wundervollen Kollegen und vor mir über 30 erwartungsvolle Gesichter ehemaliger Cambio Teilnehmenden.
Vor wenigen Minuten kamen diese Menschen, mit denen ich so viele Monate mein Leben geteilt hatte, nach und nach durch die Tür. Mit dem Anblick dieser vertrauten Gesichter kamen auch die damit verbundenen Erinnerungen und die Freude zurück, die ich dabei empfunden hatte, sie ein Stück ihres Lebens zu begleiten.

Es ist ein Ausnahmezustand sowohl für das Cambio Haus, in dem jedes Zimmer bis zum Anschlag mit Matratzen, Stimmen und Menschen gefüllt ist, wie auch für meine Seele. In dieser mischen sich Melancholie, Widersehensfreude und Abschiedsschmerz. Es ist das letzte Aufbäumen meiner Leitungsfunktion bei Cambio, bevor ich sie zur Ruhe lege. Es ist das letzte Auflebenlassen von alten Cambio Traditionen, Lagerfeuerabenden, geliebten Liedern und Brettspieltunieren.

Im Laufe dieses Wochenendes wird mit ein weiteres Mal bewusst, wie sehr ich meinen Job liebe. Wie gerne ich meinen Nachmittagskaffee mit jungen Menschen trinke, die bereit sind ihr Leben zu verändern. Wie sehr ich es genieße, fünf Kilogramm Stockbrotteig zu kneten mit der Gewissheit, dass er später am Lagerfeuer Gelegenheit zu tiefen Gesprächen gibt. Wie leicht es mir inzwischen fällt, in meiner letzen Ansprache über Zusammenhalt und die Zukunft des Cambio Projekts meine Tränen fließen zu lassen.

Mit Cambio haben wir die Vision, das Leben der Teilnehmenden zu verändern, doch in der Retrospektive merke ich, wie sehr auch ich mich durch jeden dieser Kurse verändert habe.

Ich habe mit gut 70 jungen Menschen mein Leben geteilt, sie im Schlafanzug gesehen und im schicken Weihnachtsoutfit. Mit ihnen habe ich meine Komfortzone viele Male verlassen. Habe vor ihnen geweint, gemeinsam mit ihnen gegen ihre Probleme gekämpft, ihnen eine Umarmung geben, wenn sie sich alleine fühlten. Ich habe viele Projekte mit ihnen geplant und die Frustration ausgehalten, dass viele davon nicht gefruchtet haben. Ich durfte über Kulturunterschiede lehren und lernen. Habe mich durch die Bürokratie eines fremden Landes auf einer fremden Sprache gekämpft. Ich habe neue Seiten von Gott entdeckt, durch die Zweifel der Teilnehmenden ebenso wie durch meine eigenen. Ich habe immer wieder neue Hoffnung geschöpft und gelernt, meinen Wunsch nach Kontrolle durch das grundlegendes Vertrauen zu ersetzen, dass die Dinge gut werden.

 

Die 28 jährige Lene kam mit zwei Koffern, wenig Spanischkenntnissen und viel jugendlicher Energie zu Cambio. Die Energie ist geblieben, doch vieles in meinem Leben hat sich durch Cambio verändert. Ich habe mich verändert. Heute stoße ich an auf unseren Mut, der uns dazu gebracht hat, einfach mal loszugehen, auf diese Insel, in dieses Projekt in das Abenteuer Cambio.

Cheers / Salud / Prost!

Und gleichzeitig ist es mein Gebet, dass wir diesen Mut noch einmal spüren, wenn es im  Juli zurückgehen wird nach Deutschland, in eine neue Aufgabe, zu neuen Menschen und in neue Abenteuer. 

2 Kommentare

  1. Sembdner Gudrun

    Berührend, liebe Lene.
    Schade, dass es bei uns mit den Kanaren nicht geklappt hat. Wir sehen uns! Hoffentlich!
    LG

    1. Lene de Vries

      Ja liebe Gudrun wir sehen uns im Schwabenland (fast so schön wie die Kanaren 🙂 )

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