Mein persönlicher Anlass für diesen Eintrag war eine Entdeckung vor zwei Tagen: Ich habe mich von meinem Handy zu einem Unverpacktladen navigieren lassen. Hinter der Glastür erblickte ich eine Vielfalt von Behältern mit Müsli, Kaffe, Getreide, Nüssen, … All das wartete in diesem liebevoll eingerichteten Laden neben Regalen voll frischem Obst und Käse und Drogerieprodukten darauf, von mir gekauft zu werden. Einige Minuten später trat ich aus ebendieser Glastür auf die Straße und hatte neben einer Tasche voll köstlicher Lebensmittel auch eine tiefe Freude im Bauch über das schöne Einkaufserlebnis.
Nachhaltigkeit ist ein weltweites Thema, das mit den Sustainable Development Goals der UN und Bewegungen wie Fridays for Futures seinen Weg in die Öffentlichkeit geschafft hat. Durch mein Studium an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen und das Leben in der selbsternannten Ökometropole Tübingen beschäftige ich mich schon länger mit der Frage:
Wie funktioniert ein nachhaltiger Lebensstil?
Mit unserem Konsumverhalten beeinflussen wir maßgeblich, wo und wie unser Essen, unsere Kleidung und unser Strom hergestellt werden und wieviel Müll dabei ensteht. Gerade durch das Mutterwerden ist mir der Schutz unserer Erde und die Gerechtigkeit in Produktionsländern nochmal wichtiger geworden. Ich möchte, dass Theo in einer ebenso schönen Welt aufwächst, wie ich sie in meinen Kindheitserinnerungen abgespeichert habe. Eine Welt, in der man in Bächen spielen und Krebse fangen kann, in der es noch Orte gibt, an denen man keinen Lärm von Flugzeugen oder Autos hört, und wo es jede Menge Tiere zu entdecken gibt. Eine Welt, in der Kinder in seinem Alter in die Schule gehen dürfen, statt stundenlang hinter Nähmaschinen zu sitzen, um Jeans zu produzieren, die nach drei Mal tragen weggeworfen wird.
Aus dem Kontext gerissen, kann dieser Bibelvers schnell falsch verstanden werden, vielleicht sogar als Legitimation dafür dienen, um die Natur auszubeuten und mit Tieren machen zu dürfen, was wir wollen. Besitzen und Beherrschen sind Konzepte, die in unserer Gesellschaft negativ konnotiert sind. Doch lesen wir den Vers in seinem biblischen Zusammenhang direkt im Anschluss an die Schöpfungsgeschichte, dann bekommt dieser Vers eine andere Bedeutung. Es ist zwar eine Aufforderung zur Herrschaft des Menschen über die Erde, aber diese hat die Herrschaft Gottes zum Vorbild – einer Herrschaft voller Liebe, Gnade und Gerechtigkeit.
Einige Verse später steht ein weiterer interessanter Satz, in dem Gott den Menschen in den Garten Eden setzt mit dem Auftrag, diesen zu bebauen und zu hüten [Die Bibel, 1. Mose 2:15]. Wir Menschen sollen die Erde also nicht ausbeuten, zu Tode wirtschaften und zerstören, sondern sie hüten, bebauen und beschützen. Diese Passagen der Bibel thematisieren das brandaktuelle Thema der Nachhaltigkeit. Sie ziehen uns Menschen in die Verantwortung, unseren Planeten zu nutzen, aber auf eine Art und Weise, dass dieser daran keinen Schaden nimmt. Denn wir tragen eine Verantwortung für den Lebensraum, den Gott uns geschenkt hat. Wir tragen eine Verantwortung für die kommenden Generationen, diesen Lebensraum so zu hinterlassen, wie wir ihn bekommen haben.
In Tübingen, einer der politisch grünsten Städte Deutschlands, konnte ich den Großteil meiner Wege mit dem Fahrrad, dem Zug oder zu Fuß bewältigen. Dort standen mir eine Vielzahl von Wochenmärkten und Bioläden zu Verfügung. Direkt vor unserer Haustür stand ein Regiomat mit lokaler Milch vom Bauern und frischen Bio-Eiern, und mein wiederverwendbarer To-Go Becher war mein ständiger Begleiter. Hier habe ich mir einen Lebensstil angewöhnt, bei dem ich darauf geachtet habe, wie ich mich fortbewege, wo ich einkaufe, woher die Lebensmittel kommen, die ich esse und wieviel Müll ich damit produziere.
In Gran Canaria dagegen leben wir auf einer kleinen Insel mitten im Atlantischen Ozean. Was bedeutet, dass jeder Besuch und jede Reise mit einem mehrstündigen Flug verbunden ist. Selbst Bestellungen bei Onlinehändern müssen diese Strecke zurücklegen, per Flugzeug oder Schiff. Mit dem Umzug auf die Insel war klar, dass die Größe unseres ökologischen Fußabdrucks gigantische Ausmaße annehmen würde.*
Adios Nachhaltigkeit.
*Der einzige ökologischen Vorteil, den ich in meinem Umzug gesehen habe waren 1. Bananen und 2. Avocados, denn die wachsen hier im Garten und müssen nicht über den halben Globus verschifft werden. Wer mich kennt weiß, dass ich nach dem Motto lebe: Ein Tag ohne Banane ist ein verlorener Tag. Daher habe ich durch das Leben hier auf der Insel, zumindest was meinen Bananenkonsum anbelangt, einen nachhaltigeren Lebensstil.
Gran Canaria ist für mich und meinen Wert der Nachhaltigkeit eine gigantische Herausforderung. Zwar arbeiten wir hier in unserem Traumjob, aber dafür meine Prinzipien einfach so über den Haufen werfen?! Denn für Getränkeflaschen gibt es kein Pfandsystem. Wasser, Säfte und Limonaden sind entweder in Dosen, PET Flaschen, oder in Einwegglas abgefüllt. Salate sind meist in Folien verpackt und Obst sowie Gemüse werden von ihren Käufern aus der Auslage genommen und großzügig in Plastiktüten gepackt. Auch bei der berühmten Tapas-Night in der Altstadt von Las Palmas werden Wein und Bier in Wegwerfbechern ausgeschenkt und danach “einfach” entsorgt. Der so entstandene Verpackungsmüll wandert dann mal mehr, mal weniger sortiert in die Mülltonnen, aber landet auch oft einfach in die Natur. Die Straßen und Wege sind gesäumt von einer bunten Vielfalt von Chipstüten, verrosteten Dosen und leeren Wasserflaschen.
Das klingt jetzt nach einer ökologischen Horrorshow und genauso hat es sich für mich zu Beginn auch angefühlt. Mit dem Umzug, der neuen Sprache und dem neuen Lebensrhythmus wusste ich gar nicht, wo ich anfangen sollte, nach Lösungen zu suchen. In dieser Zeit habe ich bemerkt, dass ein nachhaltiger Lebensstil Kraft und jede Menge Zeit benötigt und es so verlockend scheint, einfach den Kopf in den Sand zu stecken oder sich an die bestehenden Lebensumstände anzupassen.
Was mir anfangs unmöglich erschien – da ich einfach keine Ahnung vom Leben hier auf der Insel hatte – ist mittlerweile zu einer spannenden Entdeckungstour geworden: Es gibt zahlreiche Möglichkeiten auf Gran Canaria fair und ressourcenschonend zu leben:
Schöne Second-Hand Läden, wiederverwendbare Obst-und Gemüsebeutel bei LIDL, lokal produzierte Lebensmittel direkt von der Finca nebenan, Sprudel in Mehrwegglasflaschen, Kaffeebohnen direkt von der Insel (denn einige der wenigen europäischen Kaffeplantagen sind hier auf Gran Canaria!!), gut bestückte Unverpacktläden, in denen ich meine Einmachgläser befüllen kann…
Die Frustration wurde zu Freude. Freude über jede neue Möglichkeit, unser Leben mit etwas mehr Nachhaltigkeit zu bestücken.
Ich bin davon überzeugt, dass jede kleine Veränderung, jede einzelne Plastiktüte, die wir nicht nutzen, ein wichtiger Schritt für uns und für diese Erde ist. Dazu habe ich eine tolle Buchempfehlung: Family for Future. Eine schön gestaltete Sammlung von fast 300 Ideen, wie wir unser Leben ein Stück nachhaltiger gestalten können. Zu Ernährung, Mobilität, Kleidung und Lifestyle finden sich darin spannende kleine Projekte und Herausforderungen für den Alltag, die leicht umszusetzten sind und Freude machen. Beim Stillen blättere ich immer wieder durch das Buch und staune über die vielfältigen Möglichkeiten, unser Leben etwas nachhaltiger zu gestalten, vielleicht ist auch was für euch dabei…
Weil es mir so schwer fällt, bei diesem umfassenden Thema einen Punkt zu setzen, beende ich diesen Eintrag nicht mit meinen Worten, sondern mit einem grandiosen Satz von meinem Lieblings-Kinderbuch-Autor.
Alles Liebe,
Ana
Wow, super inspirierend Lene! Du triffst den Nagel auf den Kopf und gehst mit tollem Beispiel voran. Danke, für deinen Einsatz!
Gunter
Danke für die Ideen und das Du das Thema in den Block setzt. Ich würde mich freuen, stets weitere Erfahrungen von Euch in Sachen Nachhaltigkeit zu hören. Gott segne Euch.