Guter Hoffnung sein

Diese Woche ist Halbzeit – seit über 20 Wochen trage ich einen kleinen Mitbewohner in mir herum und inzwischen habe ich mich größtenteils an diesen freudig-befremdlichen Gedanken gewöhnt.

Anfänglich war ich einfach nur erstaunt darüber, wie schnell ein einzelner Strich mein gesamtes Leben auf den Kopf stellen kann: Ich Morgenmensch werde zu einem Morgenmuffel, bin antriebslos statt aktiv und meide jeglichen Geruch von Kaffe, statt dabei in purer Freude die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen. Etwas naiv hegte ich zuerst die Hoffnung, dass ich eine der seltenen Sorte schwangerer Frauen sei, die all die Besonderheiten einer Schwangerschaft nicht durchmacht – reine Utopie.

 

Das Schöne an der Übelkeit

Aber gerade in der Unsicherheit der ersten drei Monate gaben mir all diese Symptome eine gewisse Sicherheit, dass es bei dem Hormonchaos in mir dem Baby umso besser gehen müsse. Besonders prägend war für mich mein Geburtstag, denn da bin ich morgens aufgewacht und es ging mir plötzlich blendend. Ich kam aus dem Bett und habe mich den ganzen Tag topfit gefühlt. Bis plötzlich die Sorge an mir nagte, ob das Ausbleiben meiner Schwangerschaftsindikatoren bedeutet, dass es dem Baby in mir nicht gut geht…  Ein Stimmungskiller an einem sonst schönen Tag.  Als ich so vor mich hin grübelte und mit keinem darüber reden konnte, weil es noch die Zeit des für-sich-Behaltens und Stillschweigens  war, kam mir ein etwas veralteter Begriff in den Kopf: Guter Hoffnung sein. Bedeutet das nicht, dass ich in mir eine sichere Hoffnung trage, die von dem Besten ausgeht anstatt sich Sorgen zu machen?! Gerade an Tagen, wo es den Anschein hat, dass es dem Baby nicht gut geht?

 

„Schwanger sein heißt, guter Hoffnung zu sein und Hoffen heißt, die Möglichkeit des Guten zu erwarten.“  [Sören Kierkegaard]

Inzwischen ist der Spuk der ersten Monate vorbei. Ich fühle mich weniger wie ein Außerirdischer und habe mit meiner Energie auch wieder die Freude an einem guten Cappuccino zurückgewonnen. Mit jedem Zentimeter Bauchumfang wächst in mir Vorfreude auf die heranrückende Herausforderung. Wenn ich in meinem Bauch statt Flattulenzen die feinen Bewegungen meines Babys spüre, wird mir bewusst, welch riesiges Wunder ich dadurch erlebe.

Ein wahres Wunder

Ich meine, wie kann ich nicht ins Staunen geraten, wenn ich die exakte Feinabstimmung einer Schwangerschaft betrachte: Warum schmeckte mir in den ersten paar Wochen kein Kaffe mehr?  Weil mein Körper ganz genau weiß, dass Koffein nicht so der Knaller für Babies ist und er daher die Versuchung einfach direkt eliminiert. Ein cleverer Schutzmechanismus. Ist es nicht faszinierend, dass meine Müdigkeit daher rührt, dass mein Körper innerhalb von zwölf Wochen in mir ein Geschöpf zusammenbaut, dass bereits mit sechs Zentimetern Größe nicht nur alle lebensnotwendigen Organe besitzt, sondern auch Fingernägel und ein kleines Gesicht, mit dem es sogar schon die Stirn runzeln kann? Das ist kein Zufall, sondern ein Wunder von liebevoller und detailgetreuer Planung. Da kann man schonmal ein bisschen erschöpft von sein.

Eines von vielen freudigen Skype-Gesprächen mit dem ersten Protraitbild unseres Babys. Wie gesagt, dieser kleine Alien besitzt bereits alles, was es zum späteren Leben als Mensch braucht... mit nur zwölf Wochen.

Du bist es ja auch, der meinen Körper und meine Seele erschaffen hat, kunstvoll hast du mich gebildet im Leib meiner Mutter.“  [die Bibel, Psalm 139:13]

Manchmal habe ich den Eindruck, dass das Wunder von dieser einzigartigen Schöpfung in der heutigen Zeit durch all die Untersuchungen und Vorsichtsmaßnahmen in der Schwangerschaft kleingeredet wird. Im Internet kursieren tausend Foren und Blogs zu diesen Themen und der Katalog an Anomalien und Komplikationen ist meterlang. Ist es da nicht umso wundervoller, dass über neunzig Prozent der Babies einfach gesund und munter auf die Welt kommen, ohne zu wissen, welchen Risiken sie in den vergangenen neun Monaten ausgesetzt waren? Ich bin guter Hoffnung, dass ich mit meinem wachsenden mütterlichen Verstand und dem spanischen Gesundheitssystem diese aufregende neun Monate zu einer schönen Zeit machen werde.

Zugegebenermaßen habe ich aufgrund meines fehlenden medizinischen spanisch-Vokabulars und der Tatsache, dass es hier auf der Insel genau ein staatliches Krankenhaus mit einer Entbindungstation und eine deutsche Hebamme gibt, bisher erst wenige Entscheidung treffen müssen. Für mich eine große Freiheit, weil ich mir damit sehr viel weniger Gedanken machen muss und einfach guter Hoffnung bin, dass ich auch bei nicht vorhandener Auswahlmöglichkeit in guten Händen bin. In den Händen, die hier alle schwangeren Frauen auf der Insel betreuen.

Meine Schwangerschaftsinfos beschränken sich derzeit exakt auf ein lehrreiches Buch und eine schwangerschaftserpropte Freundin, die mir als Beraterin meine Fragen beantwortet und mir bei den vielen Arztbesuchen geduldig als Übersetzerin zur Seite steht.
Und das genügt mir bisher vollkommen. Gespannt blicke ich auf die kommenden Monate, die Reise nach Deutschland und die noch ungeklärten Dinge… Aber ich bin guter Hoffnung, dass sie die besten Vorraussetzungen bieten werden, die das Baby braucht, um noch zwanzig Zentimeter zu wachsen und bis dahin habe ich (sicher) auch alle Unklarheiten beseitigt…

kugelige Grüße

LeneUnterschrift
Vorweihnachtliche Maria-auf-dem-Esel Nachstellung.

2 Kommentare

  1. Ulli

    Wie nett du das geschrieben hast. Super. Fein, dass du die kritische Zeit schon hinter dir hast, wieder Café genießen kannst und im Großen und Ganzen fröhlich und erwartungsvoll bist.
    Einen zarten Drücker von mir zu dir. Ulli

  2. Lydia Graf-Kessler

    Wir freuen uns mega mit Euch 🙂 🙂 🙂
    Herzlichen Glückwunsch!!!
    Ja, das ist eine super schöne spannende Zeit, trotz Herausforderungen 🙂

    Wir freuen uns euch in Deutschland zu sehen.
    Bis dahin seid behütet und gesegnet
    Lydia

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