Wie mich eine knappe Stunde Podcast inspiriert hat, neu über Mission nachzudenken & was Jazz und Mission gemeinsam haben.
Beruf oder Berufung?
Aufgewühlt und müde sitze ich im Auto und fahre die Landstraße von Ewersbach in Richtung A45. Die Blätter der Bäume am Straßenrad färben sich an den Spitzen bereits gelb und erinnern mich daran, dass der Herbst begonnen hat. Eine Jahreszeit, die wir seit sechs Jahren nicht mehr erlebt haben. Und mit der unser neuer Lebensabschnitt in Deutschland beginnt. In meinem Kopf brummen Gedanken wie ein wild gewordener Bienenschwarm umher. Die vergangenen vier Tage habe ich mit dreißig fähigen, klugen und internationalen Leitenden der Allianz-Mission verbracht. Früh morgens habe ich mir Gedanken über mein Outfit gemacht und im Laufe des Tages über Strategien, missionstheologische Konstrukte und polizentrische Mission.
Zwischen den vielen inspirierenden und noch nicht fertig verdauten Gedanken des Kongresses kehrt in der Stille der Autofahrt eine konkrete Frage aus den vielen Gesprächen zurück: Bin ich eingentlich laut Berufung noch Missionarin?
Ich drehe das Radio lauter, versuche mich mit den aktuellsten Hits aus Hessen von den lauter werdenden Fragen abzulenken. Wie definiere ist meine neue Berufung als Missionarin? Habe ich diesen Titel mit der Ausreise aus Gran Canaria abgegeben? Wie passt meine neue Tätigkeit in der Allianz-Mission in die Kategorien Beruf und Berufung?
Auf der Höhe von Frankfurt kommt der Verkehr ins stocken und ich habe die Möglichkeit mir einen Podcast auszusuchen, um mich gedanklich abzulenken. Meine Wahl fällt auf die zweite Folge des Weltbeweger Podcastas aus dem Jahr 2018 mit dem Titel: „Mission ist wie Jazz“. Darin zieht Dr. Alfred Meier, mein weis(s)er Missionskollege aus Mali, Vergleiche zwischen Jazzmusik und der christlichen Mission.

„Jazz steht für energiegeladene, mit Pep vorgetragene Musik. Der starre Blick auf das Notenblatt wird ersetzt durch eine improvisierte, tanzende musikalische Bewegung, bei der sich die Akteure auf der Bühne gegenseitig inspirieren. Erstarrte Formen werden ausgehebelt und kreativ neu bewegt.“ - Alfred Meier*
Mehrfach muss ich das Interview unterbrechen, um das Gehörte auf meine eigenen Situation anzuwenden, denn es bietet spannende Antworten auf meine nicht fertig gedachten Gedankengänge.
Ich spiele ein Instrument – meine Gaben, Talente und Fähigkeiten. Ich erinnere mich, dass ich zu Beginn meiner Tätigkeit bei Cambio unsicher war, inwieweit ich meine Ausbildung und auch meine Kompetenzen im Projekt einbringen kann. Doch über die Jahre hinweg durfte ich verstehen, wie sehr mein Instrument zur Leitung von Cambio passte: Meine Art Menschen zu motivieren, mein Wunsch Nachhaltigkeit und Glauben in Verbindung zu bringen und Strukturen zu schaffen. Mit meinem Instrument konnte ich mein ersten Erfahrungen in einer internationalen Band sammeln. All das konnte ich einbringen. Und dieses Instrument spiele ich unabhängig ob ich gerade ein missionarisches Projekt im Ausland leite, zu Hause auf meine kranken Kinder aufpasse oder mit meinen neuen Nachbarn im Schwabenland ein Gespräch führe.
„Missionare sind von Gott und seiner Gemeinde zur Erfüllung einer konkreten Aufgabe beauftragte und bevollmächtigte Boten.“
Ich habe meine Band auf Gran Canaria geliebt, denn wir hatten unseren Takt gefunden, konnten uns blind auf die Anderen verlassen und spielten mit Freude und Ausdauer.
Der Wechsel zu meiner neuen Tätigkeit bei der Allianz-Mission setze ich in den Vergleich zu einem Bandwechsel. Nicht aufgrund eines Streits, sondern weil es dran ist, uns als Ehepaar neuen Themen auszusetzen und eine neue Herausforderung anzugehen.
Jetzt spiele ich seit drei Monaten in einem neuen Ensemble: Der Homebase der Allianz Mission. Dort arbeiten täglich über 30 Menschen an den grundlegenden Prozessen des Missionswerks: Personalfragen, Verwaltung, Kommunikation, IT, Projektplanung, die Organisation von Missionars-Wohnungen und -autos und eben in der Weiterentwicklung des Missionswerks – mein neues Arbeitsfeld…
Am Anfang verlangt dieser Wechsel viel von mir ab. Es gilt vorerst zuzuhören, um das Zusammenspiel zu verstehen. Auch wenn ich nach wie vor für die selbe Organisation arbeite, ist die Kultur in der Homebase eine andere. Die Sprache, die Prozesse, die Themen und auch die zwischenmenschlichen Informationen sind neu für mich.

Improvisation steht am Anfang, um den richtigen Takt und die passende Tonart zu finden. Klar, verspiele ich mich dabei hier und da. In einem meiner ersten Gespräche im neuen Team aus gestandenen Leitungspersonen nutzte ich im Affekt das Jugendwort „Diggi“ und erschrak selbst über diese flapsige Wortwahl. Ob meine Kollegen es bemerkten, weiß ich bis heute nicht, denn in ihrer Mimik war nichts abzulesen. Doch es zeigte mir, dass ich Zeit brauche, um aus dem lockeren, jungen Arbeitsfeld in die neue Arbeitskultur hineinzufinden und mich und mein Instrument auf die Spielart meiner neuen Bandkollegen einzustellen.
Das Thema von agiler Weiterentwicklung der Allianz-Mission ist nicht das erste, an das wir bei Mission denken. Meine Arbeit sehe ich als Grundlage für das Zusammenarbeiten und Wirken der Mission nach Außen. Ich beziehe das Thema Agilität auf den missionarischen Kontext, um so weiterhin einen Beitrag zu Gottes weltweiter Mission beitragen.
Bin ich noch Missionarin? Diese Frage habe ich noch nicht endgültig beantwortet. Doch am Ende spiele ich mein Instrument immer noch für Gott.
*Quellen:
die Move Artikel & Blogeintrag von Alfred Meier findet ihr auf folgenden Seiten:
www.allianzmission.de/medien/move/ (Ausgabe 1/2028)
https://alfredmeier.blogspot.com/2018/04/mission-ist-wie-jazz.html#more
