Eine gefühlte Ewigkeit habe ich nicht mehr in die Tasten gehauen, um ein Bisschen aus unserem Leben zu erzählen.
In den letzten Monaten hatte ich oft das Gefühl fremdbestimmt zu leben: Die Schwangerschaft hat meinen Körper in Beschlag genommen; ein Virus stürtzte die Welt ins Chaos und schmiss all unsere Pläne um; es gab ein tägliches Hoffen und Bangen, wann wir nach Gran Canaria zurückkehren dürfen…
Nachdem wir nach nur acht Monaten Gran Canaria eine viel zu lange Zeit Deutschland verbrachten, verkünde ich hiermit feierlich: WIR SIND ZURÜCK AUF DER INSEL! Ein dreifaches Hip-Hip-Hurra und Täteretääääää. Wie man unschwer erkennen kann, sind wir voller Freude über unsere Rückkehr.
Doch so frustrierend sich der Lockdown in Deutschland zeitweise angefühlt halt, ist mir in der Retrospektive aufgefallen, dass viele Begebenheiten in dieser chaotischen und fremdbestimmten Zeit geschehen sind, für die ich dankbar bin.
Als ich am vergangenen Sonntag die philosophischen Worte des Predigertextes las, fiel mir auf, dass Salomo diesen Widerspruch zwischen Unverständnis und Akzeptanz über Gottes Zeitplan treffend beschreibt:
Mich hat dieser Text ins Nachdenken gebracht: Oft scheint uns die Zeit unpassend für Etwas zu sein… Oder ist es gerade nur in unserer Vorstellung unpassend, in unserer begrenzten Perspektive über die Begebenheiten in unserem Leben?!
Geboren werden hat seine Zeit
Am 10. Juni kam Theo auf die Welt, einige Tage nach dem errechneten Geburtstermin. Und das, obwohl bereits zwei Wochen vor der Geburt meine Ungeduld groß und ich der festen Überzeugung war, dass viele passende Momente für die Geburt tagtäglich verstrichen. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich auf ein Ereignis hingefiebert, für das es kein fixes Datum gab. Es konnte zu jeder Zeit losgehen und es stand komplett außerhalb meiner Macht, den Beginn der Geburt zu beeinflussen.
Ein kluger Spruch, den Tobis Oma in schnörkeliger Schrift auf einem Zettel notiert hatte und bei einem unserer Besuche aus dem Fenster ihres Seniorenheims schmiss, zeigte mir, dass es nicht die Zeit ist, die ich beeinflussen kann, sondern meine Einstellung:
Die Geburt kam – zur richtigen Zeit: An einem erfüllten Tag in unserem kleinen Apartment, einer letzten “Sport”einheit mit Kugelbauch und einem leckeren Abendessen mit Brezeln bei Freunden, kam Theo nach einer einwandfreien Geburt um zwei Uhr nachts auf die Welt. Mit diesem Ereignis begann eine neue Realität: Das Leben als Familie. Erst stand die Zeit für eine Woche still. Keine festen Essenszeiten, die Nächte wurden zerhackstückelt, und die Minuten mit unserem Sohn waren so intensiv, dass sie sich wie eine Ewigkeit anfühlten.
Theo ist uns eine riesige Freude und wir merken von Tag zu Tag mehr, wie wertvoll es ist, jeden einzelnen Moment mit ihm zu genießen.
Zeit des Klagens und Zeit des Tanzens
Corona geht uns allen auf die Neven und sicher hat jeder von uns eine meterlange Liste an Dingen, die durch diesen Virus nicht so gelaufen sind wie erhofft. Viele Pläne wurden zerstört, Menschen habe ihre Angehörigen verloren. Manches ist ist kaputt gegangen. Nicht nur hier auf der Insel, sondern auf der ganzen Welt haben Menschen ihre Arbeitsplätze verloren. Es gibt viel Grund zu Klage und die darf auch sein.
Ich habe mich oft dabei ertappt, wie ich unzufrieden war mit unserer Situation in Iserlohn. Dabei habe ich nicht realisiert, dass es so viel größere Probleme auf der Welt gibt. Jetzt merke ich, dass diese ruhigen Wochen vor der Geburt und vor der Rückkehr nach Cambio für Tobi und mich eine wichtige Entschleunigung waren. Viele Stunden zu Zweit zu verbringen, Bücher zu lesen und Ausflüge in die Natur zu machen… Es tat gut, mal langsamer zu treten und die terminfreien Tage einfach vorbeiziehen zu lassen.
Jetzt habe ich das Gefühl, dass die Welt wieder ihr Gleichgewicht findet. Die Zeit des Homeoffices, der Log-ins und der vielen Video-Anrufe hat ein Ende. Die weltweiten Folgen der letzen Monate sind für mich unüberschaubar und auch bei Cambio und hier auf der Insel spüren wir Auswirkungen der Pandemie. Wir wollen versuchen, diese ungewollte Veränderung als eine Chance zu sehen, anders zu Denken und Neues anzufangen. Es ist an der Zeit, nicht zu warten bis der Sturm vorbei ist, sondern zu lernen, im Regen zu tanzen (ein etwas abgedroschener Spruch, den unser Chef bei einer Videokonferenz vom Stapel gelassen hat, aber für mich sehr motivierend war).
Zeit, sich zu umarmen und Zeit, sich loszulassen
Nach fünf Monaten in Deutschland und einer viel längeren und intensiveren Zeit mit unseren Familien, kam der Tag des Rückflugs. Zwar waren wir es von unseren vorherigen Auslandsaufenthalten bereits gewohnt, Abschied zu nehmen, doch wir hatten nicht bedacht, was so ein kleiner Mensch alles ändern kann. Gerade den Tanten, Groß- und Urgroßeltern fiel das Loslassen von Theo schwerer als gedacht.
Ich bin sehr gespannt auf die Zeit, die vor uns liegt und versuche Gottes Timing weniger zu hinterfragen, denn » Gott hat für alles eine Zeit vorherbestimmt, zu der er es tut; und alles, was er tut, ist vollkommen. Dem Menschen hat er eine Ahnung von dem riesigen Ausmaß der Zeiträume gegeben, aber von dem, was Gott in dieser unvorstellbar langen Zeit tut, kann der einzelne Mensch nur einen winzigen Ausschnitt wahrnehmen. «
Alles Liebe.
Jasi
Immer eine Wohltat, deine Einträge zu lesen ❤️
Corinna Dinkel
Wünschen euch einen guten Start wieder auf der Insel und Theo gutes Einleben! Alles Liebe